Anhebung der Hebesätze

28. Februar 2019: Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 27.02.2019 beschlossen, den seit 1992 unveränderten Hebesatz der Gewerbesteuer in der Gemeinde Sinzing von 320% auf 380% zu erhöhen.

Diese Maßnahme wurde – neben einer Anhebung des Hebesatzes bei den Grundsteuern A und B von 280% auf 310% – als notwendig erachtet, um eine steigende Neuverschuldung, v.a. bedingt durch die anstehende Erweiterung und Sanierung der Grundschule mit einem geschätzten Aufwand in Höhe von 18,5 Mio. Euro, zu vermeiden. 

Hintergrund für die Anhebung der Grundsteuer ist nicht zuletzt ein Hinweis der Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamtes, dass aufgrund der vergleichsweisen niedrigen Hebesätze für die Realsteuern, die weit unter dem Landkreisdurchschnitt liegen, Einnahmereserven bestehen. Das Landratsamt führt dazu aus:

„Hier sollte die Gemeinde jedoch erwägen, die Hebesätze für die Grundsteuern A und B auf jeweils 310 v.H. anzuheben. Ohne eine Anpassung der Hebesätze fließt der Differenzbetrag zum Nivellierungshebesatz von 310 v.H. in die Berechnung der Steuerkraft ein, obwohl keine entsprechenden Einnahmen vorhanden sind. Die Gemeinde erhält zu Lasten allgemeiner Deckungsmittel und damit letztlich zu Lasten der Steuereinnahmen weniger Schlüsselzuweisung und zahlt entsprechend mehr an Kreisumlage. Dies führt zu einer zweifachen negativen Auswirkung auf den Gemeindehaushalt.“

Die negativen Auswirkungen bei den Umlageberechnungen betragen in der Summe rd. 75.000 € und entstehen durch eine geringere Schlüsselzuweisung in Höhe von rd. 48.000 € sowie einer höheren Kreisumlage von rd. 27.000 €.

Der durchschnittliche Hebesatz der Landkreisgemeinde beträgt

bei der Grundsteuer A: 313 v. H.
bei der Grundsteuer B: 315 v. H.

In der Stadt Regensburg beläuft sich der Hebesatz für die Grundsteuer B auf 395 v.H., für die Gewerbesteuer auf 424 v.H..

Die Gemeinde Sinzing hat seit 1992 die Hebesätze für die Grundsteuer A und B unverändert auf jeweils 280 v.H. festgesetzt.

Zur Konsolidierung des gemeindlichen Haushalts wurde vom Gemeinderat beschlossen, die Hebesätze für die Grundsteuer A und B mit Wirkung zum 01.01.2019 auf jeweils 310 v.H. anzuheben, zumal auch Einnahmen für Investitionen durch den Wegfall der Straßenausbaubeiträge fehlen. Dies bedeutet eine tatsächliche Mehrbelastung von ca. 10% für den einzelnen Grundstückseigentümer.

Außerdem wurde der ebenfalls seit 1992 unveränderte Hebesatz von 320 v.H. für die Gewerbesteuer auf 380 v.H. angehoben. Bei angenommenen Gewerbesteuereinnahmen von 1.950.000 € (Planansatz 2019) würden die Mehreinnahmen rd. 365.000 € betragen.

Diese Erhöhung hat jedoch für Personengesellschaften keine Auswirkungen, weil die Gewerbesteuer bis zu einem Hebesatz von 380 Punkten auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann. Für Kapitalgesellschaften bedeutet dies eine Steigung der Steuerlast um zwei Prozentpunkte.

Belastungswirkungen einer Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer

Ausarbeitung von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Wiegard – Mitglied im Gemeinderat

Der Gemeinderat hat bei seiner Entscheidung, den Hebesatz der Gewerbesteuer anzuheben, auch die auftretenden Belastungswirkungen berücksichtigt. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften.

Personenunternehmen

Gewerbesteuerpflichtige Personenunternehmen (Einzelunternehmen, GbR, KG, OHG) werden durch die Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer von 320% auf 380% in der Regel nicht zusätzlich belastet. § 35 Abs. 1 EStG sieht für Personenunternehmen nämlich eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer in Höhe des 3,8-fachen des nach § 14 GewStG festgesetzten Steuermessbetrags vor, begrenzt auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer. Die Ermäßigung der Einkommensteuer setzt voraus, dass Einkommensteuer zu zahlen ist. Da die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer pauschal erfolgt, hängt die Höhe der Entlastung vom Hebesatz ab. Unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags kommt es durch die Anhebung des Hebesatzes von 320% auf 380% insgesamt sogar zu einer (geringfügigen) Entlastung.

Dies soll an einem Beispiel illustriert werden. In diesem Beispiel wird zur Vereinfachung unterstellt, dass der (maßgebende) Gewerbeertrag und der einkommensteuerpflichtige Gewinn identisch sind. Es wird also von gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und Kürzungen abgesehen. Die Berechnung der steuerlichen Gesamtbelastung mit Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer erfolgt in zwei Schritten.

Schritt 1: Ermittlung der Gewerbesteuerschuld (Einzelunternehmen)

Ein lediger Gewerbetreibender erzielt einen Gewebeertrag in Höhe von 100.000 Euro (vor Gewerbesteuer und Berücksichtigung eines Freibetrags). Dann berechnet sich seine Gewerbesteuerschuld für Hebesätze von 320% und 380% vereinfacht wie folgt (die §§ beziehen sich auf das GewStG):

Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) 100.000
+ Hinzurechnungen (§ 8) ----
- Kürzungen (§ 9) ----
= maßgebender Gewerbeertrag (§ 10) 100.000
- Freibetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1) 24.500
= Gewerbeertrag nach Freibetrag 75.500
·  Steuermesszahl von 3,5% (§ 11 Abs. 2)  
= Steuermessbetrag (§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 14) 2.642,50
· Hebesatz (§ 16) 320 % 380 %
= Gewerbesteuer 8.456,00 10.041,50

Bei Hebesätzen von 320% bzw. 380% ergibt sich für den Gewerbetreibenden eine Gewerbesteuerschuld von 8.456,00 Euro bzw. 10.041,50 Euro. Nach Abzug der Gewerbesteuerumlage in Höhe von 64% des Steuermessbetrags im Jahr 2019 beträgt das der Gemeinde zustehende Aufkommen aus der Gewerbesteuer in diesem Beispiel 6.764,80 Euro bzw. 8.350,30 Euro.

Schritt 2: Einkommensbesteuerung mit Anrechnung der Gewerbesteuer

Bei einem der Einkommensbesteuerung unterliegenden zu versteuernden Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 100.000 Euro betragen die tarifliche Einkommensteuer für Alleinstehende (Tarif 2019) ohne Berücksichtigung der Gewerbesteueranrechnung 33.219,00 Euro und der Solidaritätszuschlag darauf 1.827,04 Euro. Bei Anrechnung der Gewerbesteuer erhält man für die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag:

Einkommensteuer vor Anrechnung der GewSt 33.219,00
- Anrechnung der GewSt bei Hebesatz 320%/380% 8.456,00 / 10.041,50
= Einkommensteuer nach Anrechnung der GewSt 24.763,00 / 23.177,50
+ Solidaritätszuschlag auf die Einkommensteuer 1.361,96 / 1.274,76
= Gesamtbelastung aus Einkommensteuer und Soli 26.124,96 / 24.452,26

Unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer ergeben sich damit in diesem Beispiel die Gesamtsteuerbelastungen bei Hebesätzen von 320% bzw. 380%:

Gewerbesteuerhebesatz 320 % 380 %
Einkommensteuer und Soli 2019 26.124,96

24.452,26

Gewerbesteuer 8.456,00 10.041,50
Gesamte Steuerbelastung aus ESt, Soli und GewSt 34.580,96 34.493,76

Ergebnis: Für Personenunternehmen ist die Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer von 320% auf 380% in diesem Beispiel vorteilhaft. Die gesamte Steuerbelastung aus Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer fällt bei einem Hebesatz von 380% um 87,20 Euro geringer aus als bei einem Hebesatz von 320%.

Generell gilt, dass höhere Hebesätze bis 400% für Personenunternehmen günstiger sind als niedrigere, sofern die Gewerbesteuer vollständig angerechnet werden kann.

Kapitalgesellschaften

Die Berechnung der Gewerbesteuerschuld erfolgt bei Kapitalgesellschaften (z.B. AG, GmbH) grundsätzlich wie bei Personenunternehmen. Allerdings wird Kapitalgesellschaften kein Freibetrag gewährt und eine Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Körperschaftsteuer erfolgt nicht. Für Kapitalgesellschaften wird die Gewerbesteuer deshalb zur Definitivbelastung.

Die Belastungswirkungen eines höheren Hebesatzes bei der Gewerbesteuer lassen sich durch unterschiedliche Kennziffern beschreiben.

Die Gewerbesteuerschuld ergibt sich wieder als Produkt von (maßgebendem) Gewerbeertrag, Steuermesszahl von 3,5% und Hebesatz, also

Gewerbesteuer = Gewerbeertrag · Steuermesszahl · Hebesatz

Das Produkt von Steuermesszahl und Hebesatz bezeichnet man auch als effektiven Gewerbesteuersatz. Bei einem Hebesatz von 320% beträgt dieser 11,2% (=0,035 x 320), bei einem Hebesatz von 380% hingegen 13,3% (=0,035 x 380).

Mit der vom Gemeinderat beschlossenen Anhebung des Hebesatzes erhöht sich der effektive Gewerbesteuersatz für Kapitalgesellschaften um 2,1 Prozentpunkte.

Für die Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft ist die Gesamtbelastung des erzielten Gewinns entscheidend. Zusätzlich zur Gewerbesteuer sind dann noch die Körperschaftsteuer, der Solidaritätszuschlag sowie die Ausschüttungsbelastung mit Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag zu berücksichtigen. Unter vereinfachenden Annahmen (keine Hinzurechnungen und Kürzungen bei der Gewerbesteuer; Sofortausschüttung; keine Anwendung der Günstigerprüfung) ermittelt sich die bis zum Anteilseigner durchgerechnete Gesamtsteuerbelastung für einen Gewinn jeweils 100 Euro nach folgendem Rechenschema:

Gewinn der Kapitalgesellschaft 100
Hebesatz der Gewerbesteuer 320% 380 %
Gewerbesteuer (100∙0,035∙"Hebesatz)" 11,20 13,30
Körperschaftsteuer (100 x 0,15) 15
Soli auf Körperschaftsteuer (15 x 0,055) 0,82
Gewinn nach Steuern auf Unternehmensebene 72,98 70,88
Dividende 72,98 70,88
Abgeltungsteuer (Dividende x 0,25) 18,24 17,72
Soli auf Abgeltungsteuer 1,00

0,97

Gewinn nach Steuern beim Anteilseigner 53,74 52,19
Steuerbelastung in % 46,26 47,81

Durchgerechnet bis zum Anteilseigner erhöht sich die gesamte Steuerbelastung des in Kapitalgesellschaften erzielten Gewinns bei einer Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer von 320% auf 380% um 1,55 Prozentpunkte.

Als dritte Kennziffer kann noch die Verringerung der auf das eingesetzte Eigenkapital erzielten Rendite nach Steuern herangezogen werden. Die Rendite nach Steuern ergibt sich, indem die Rendite vor Steuern, die Brutto-Rendite, mit dem Faktor (1 – 0,4626 = 0,5374) bei einem Hebesatz von 320% bzw. mit dem Faktor (1 – 0,4781 = 0,5219) bei einem Hebesatz von 380% multipliziert wird.

Bei einer Eigenkapitalrendite vor Steuern von z.B. 10 % (5%) verringert sich die Netto-Rendite von 5,37% (2,69%) bei einem Hebesatz von 320% auf 5,22% (2,61%) bei einem Hebesatz von 380%.

Die Eigenkapitalrendite nach Steuern verringert sich bei einer Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer von 320% auf 380% um 0,15 Prozentpunkte bei einer Brutto-Rendite von 10% und um 0,08 Prozentpunkte bei einer Brutto-Rendite von 5%.

Abschließend soll der Fall betrachtet werden, dass eine Kapitalgesellschaft – wie im Beispiel des Personenunternehmens oben – einen zu versteuernden Gewinn von 100.000 Euro erzielt. Dann erhöht sich die gesamte Steuerbelastung, durchgerechnet bis zum Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft, von (gerundet) 46.260 Euro bei einem Hebesatz der Gewerbesteuer von 320% auf 47.810 Euro bei einem Hebesatz von 380%. Ausgedrückt in Euro ist das ein Anstieg der Gesamtsteuerbelastung von 3,35%.

Ergebnis: Für Kapitalgesellschaften bedeutet die Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer eine höhere Steuerbelastung und eine geringere Netto-Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital. Die Belastungswirkungen erscheinen allerdings vertretbar angesichts der umfangreichen kommunalen Investitionstätigkeit in Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur, von denen auch die am Ort ansässigen Unternehmen profitieren.