Rückzahlung der Kostenvorschüsse für den Hochwasserschutz Sinzing

11. Februar 2019: Der Gemeinderat hat in der Januar-Sitzung beschlossen, die Kostenvorschüsse für die Hochwasserschutzmaßnahme Sinzing in Höhe von 612.000,00 € an die ca. 95 Grundstückseigentümer zurückzubezahlen
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Darüber hinaus wird auf den weiteren Klageweg zur Durchsetzung der Kostenumlegung für den Hochwasserschutz aufgrund der Rechtsunsicherheit verzichtet.

Im Einzelnen wurden hierzu folgende Beschlüsse gefasst:

  • Die Gemeinde erklärt aufgrund der Rechtseinschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Rücknahme der Beitragsbescheide.
  • Die Gemeinde wird die Kosten für die Hochwasserschutzeinrichtung nicht umlegen und die Beschlüsse des Gemeinderates vom 07.03.2006 Nr. 6 bis 13 aufheben.
  • Die Gemeinde wird die bereits bezahlten Beträge auf Antrag in zwei Raten jeweils zum Jahresende 2019 und 2020 erstatten.

Zur Vorgeschichte:

Der Gemeinderat hat im Jahr 2006 bei zwei Gegenstimmen beschlossen, die anteiligen Kosten für den Hochwasserschutz in Sinzing auf die vorteilsnehmenden Anlieger, die innerhalb des hundertjährigen Überschwemmungsgebiets liegen, auf Basis der geschätzten Kosten in Höhe von 4.176.000,00 € umzulegen. Der Freistaat Bayern hat sich bereit erklärt, 62 % der Gesamtkosten zu übernehmen. Von dem gemeindlichen Anteil in Höhe von 38 % sollten je nach Vorteil die Hälfte, also 19 % der geschätzten Kosten, umgelegt werden.

Die Gemeinde Sinzing steuerte im Jahr 2006 aufgrund anstehender Investitionen, wie z. B. für die Dreifachturnhalle an der Schule, den Neubau der Kläranlage in Eilsbrunn oder die Kanalisation der Ortsteile im Viehhausener Umland auf eine Verschuldung in Höhe von 10 Mio. Euro zu.  Deshalb war es dem Gemeinderat zum damaligen Zeitpunkt wichtig, dass sich die Donauanlieger an den Kosten beteiligen, um die hohe Investition für den Hochwasserschutz finanzieren zu können.

Der Bau der Hochwasserschutzeinrichtung war für alle Anlieger essentiell. Da zu befürchten war, dass die Maßnahme nicht umgesetzt wird, wenn die Anlieger den Hochwasserschutz mitfinanzieren, haben damals 95 Anlieger die entsprechenden Ablöseverträge zur Kostenbeteiligung unterzeichnet. Fünf Anlieger haben dann im Jahr 2015 gegen den Beitragsbescheid der Gemeinde Sinzing geklagt, das Verfahren ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) anhängig. Nun hat der BayVGH der Gemeinde mitgeteilt, dass der Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) in der alten Fassung zu unbestimmt formuliert war, sodass sich ein betroffener Bürger die Höhe und die Entstehung des Beitrags nicht nachvollziehen und wenigstens überschlägig berechnen konnte. Aufgrund des richterlichen Hinweises hat der Gesetzgeber mittlerweile das Bayerische Wassergesetz geändert und im neuen Artikel 42 BayWG eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass gemeindlicher Satzung geschaffen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung im Bayerischen Wassergesetz dürfen damit nicht mehr bestehen.

Gesetz 2006 Gesetz heute

Art. 57

Kosten des Ausbaus, Vorteilsausgleich,

Anwendung anderer Vorschriften

Art. 42

Kosten des Ausbau, Vorteilsausgleich,

Anwendung andere Vorschriften

  1. Die Kosten des Ausbaus trägt der Unternehmer.
  2. Ist der Unternehmer zum Ausbau verpflichtet, so kann er von denen, die von dem Ausbau Vorteile haben, je nach ihrem Vorteil (Nutzenmehrung, Schadensabwehr), Beiträge und Vorschüsse verlangen. Die örtlich zuständigen Gemeinden können diese Beiträge und Vorschüsse übernehmen. Der den Gemeinden erwachsende Aufwand kann auf die nach Satz 1 Verpflichteten umgelegt werden.
  3. Erlangt jemand durch einen Ausbau, der in einem anderen Bundesland durchgeführt wird, einen Vorteil, so ist er verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Behörde des Landes, in dem der Ausbau durchgeführt wird, nach den Bestimmungen des dortigen Rechts Kostenbeiträge zu leisten. Das gilt nur, soweit Gegenseitigkeit besteht.
  4. Art. 48 Abs. 1 und 3 gelten sinngemäß

  1.  Die Kosten des Ausbaus trägt der Unternehmer.
  2. Sind die Unternehmer zum Ausbau verpflichtet, so können sie von denen, die von dem Ausbau Vorteile haben, je nach ihrem Vorteil (Nutzenmehrung, Schadensabwehr), Beiträge und Vorschüsse verlangen. Die örtlich zuständigen Gemeinden können diese Beiträge und Vorschüsse übernehmen. Der den Gemeinden erwachsende Aufwand kann auf die nach Satz 1 verpflichteten Personen umgelegt werden.
  3. Erlangt eine Person durch einen Ausbau, der in einem anderen Land durchgeführt wird, einen Vorteil, so ist sie verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Behörde des Landes, in dem der Ausbau durchgeführt wird, nach den Bestimmungen des dortigen Rechts Kostenbeiträge zu leisten. Das gilt nur, soweit Gegenseitigkeit besteht.
  4. Gemeinden setzen die Beiträge oder Vorschüsse nach Abs. 2 Satz 1 oder ihren Aufwand nach Abs. 2 Satz 3 selbst fest. Sie können dazu durch Satzung das Nähere, insbesondere den Beitragsmaßstab und die Grundsätze der Beitragserhebung, regeln. Für andere Ausbaupflichtige gelten Art. 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sinngemäß.

 

Hinsichtlich der Umlegung der Kostenvorschüsse durch die Gemeinde wurde seitens des Gerichtes angeregt, die Beitragsbescheide zurückzunehmen, da sonst gegen die Gemeinde Sinzing entschieden würde. Vor dem Hintergrund evtl. Verjährungsprobleme, weiterer langjähriger Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf den Beitragsmaßstab und unbestimmter Gerichtsentscheidungen wird die Gemeinde nicht weiter an der Kostenumlegung festhalten. Nachdem der Hochwasserschutz schon viele Jahre fertiggestellt ist, erscheint es schwierig im Nachhinein eine Satzung zu erlassen, die als Rechtsgrundlage für die Kostenumlegung dient.

Mit der Entscheidung keine Satzung zu erlassen und somit keine weiteren juristischen Auseinandersetzungen zu führen, hat der Gemeinderat im Januar 2019 zu Gunsten der 95 Anliegern aus Gerechtigkeitsgründen entschieden, die Ablösebeiträge in zwei Raten - im Jahr 2019 und 2020 - zurückzuerstatten. Dem Gemeinderat ist bewusst, dass dadurch der finanzielle Spielraum in den nächsten Jahren eingeschränkt wird und für anstehende Investitionen teilweise eine Kreditaufnahme erforderlich sein wird. Trotzdem ist aufgrund der Rechtsmeinung des Gerichts die Entscheidung zu akzeptieren und die ursprünglichen Anliegerbeiträge, wie in anderen Kommunen auch, als Solidargemeinschaft zu tragen. Durch die Rückzahlung ergibt sich eine Aufteilung der Gesamtinvestition für den Hochwasserschutz mit 62% durch den Freistaat Bayern und 38% durch die Gemeinde Sinzing. Die tatsächlichen Gesamtkosten im Jahr 2012 beliefen sich auf 5.949.941,00 Euro.